Wenn Menschen mit Lammfellwesten und Trinkhörner in Massen zum Backstage pilgern, kann es nur eine Erklärung dafür geben: Es ist mal wieder Zeit für das jährliche Paganfest. Das diesjährige Paganfest strahlt vor allem durch den Headliner
WINTERSUN ein wenig heller als die vorherigen Festivals, kann aber auch ansonsten mit starker Besetzung glänzen. Wer zudem in Genuss einer Extended-Show kommt (wie in München), durfte sich zudem an drei zusätzlichen Bands erfreuen. Wie üblich bei One-Day-Festivals dieser Größe, wurden Hallenöffnung und Festivalbeginn in den frühen Nachmittag gelegt, so dass die ersten Bands auf den ein oder anderen Zuschauer verzichten mussten. Meine Weingkeit erreicht die heiligen Hallen des Backstage auch verspätet, zu einem Zeitpunkt, als
FINSTERFORST bereits ihren letzten Song ("Mach dich frei") spielen und
FROSTTIDE und
OBSCURITY ihren Auftritt bereits hinter sich hatten. Nachdem die Schwarzwälder die Bühne verlassen haben, kündigt, nach kurzer Umbaupause, Dr. Skull das baldige Erscheinen der
GRAILKNIGHTS an. Momente später ist es dann so weit: Die Hannoveraner Ritterhorde betritt die Bühne, um den Kampf gegen das Böse aufzunehmen. In den folgenden Minuten bieten die Gralshüter einen komprimierten Einblick, in alles was die
GRAILKNIGHTS ausmacht: Superhelden in bunten Kostümen, eine Fantasy-Theater-Performance in drei Akten und natürlich Metal. Wer noch nie einen Auftritt der
GRAILKNIGHTS gesehen hat, der hat definitiv was verpasst. Leider hatten die Hannoveraner mit kleineren technischen Problemen zu kämpfen, die aber von der Band und vor allem von Sir Optimus Prime ritterlich gemeistert wurden. Zum Abschied noch eine Muskelwelle. Licht an - Umbaupause. Mit den Holländer von
HEIDEVOLK folgt nun die zweite Band (nach
FINSTERFORST), aus dem Stall von
Napalm Records.
HEIDEVOLK sind (als eine der wenigen Bands heute) in der glücklichen Lage, ein brandneues Album ("Velua") den Fans live vorstellen zu können. Neben dem Opener (sowohl auf dem Album, als auch heute Abend) "Winter Woede", schafft es vom neuen Liedgut auch noch "Drankgelag" auf die Setlist. Wie immer sind bei
HEIDEVOLK sämtliche Texte auf niederländisch, was neben dem erhöhten Metal-Faktor (im Vergleich zu den Humppa-Metal-Bands) und dem doppelstimmigen Gesang, den Reiz dieser Band ausmacht. Ältere Songs, wie z.B. "Ostara" oder "Vulgaris Magistralis" heizen die Stimmung im Publikum mächtig an und zeigen eindrucksvoll, welchen Stellenwert dieser Band inzwischen innerhalb der Pagan-Szene erworben hat. Nichtsdestotrotz heißt es für
HEIDEVOLK nach 45 Minuten, sich zu verabschieden. Bevor nach der nun folgenden Umbaupause die Krieger von
TURISAS losgelassen werden, muss erst mal eine wichtige Entscheidung getroffen werden: Soll man sich zuerst in die Schlange vor dem WC einreihen, oder sich doch zuerst ins Getümmel vor der Theke stürzen? Die Entscheidung trifft letztendlich die Blase. Rechtzeitig zum Intro habe ich mich wieder durch die Menschenmassen in Richtung Bühne vorgearbeitet. Der Nachschub an Flüssigkeit muss also bis zur nächsten Pause warten, schließlich verzichtet doch keiner freiwillig auf die energiegeladene Show der Finnen. Songs wie "The March of the Varangian Guard", "Battle Metal" oder "To Holmgard and Beyond" haben inzwischen Kultcharakter und sorgen für mächtig Alarm im Publikum. Zu "In the Court of Jarisleif" bekommen
TURISAS Unterstützung von Sami Perttula (Akkordeon) von
KORPIKLAANI. Nach schweißtreibenden 60 Minuten ist dann aber erst mal Schluß. Doch
TURISAS ist die erste Band des heutigen Abends, der die Zeit gegeben wird, nochmals für eine Zugabe zurückzukehren. Nach dem
PET SHOP BOYS Kitschbroken "It's a Sin" gibt es noch "Stand Up and Fight" obendrauf. Jetzt heißt es schnell sein, bevor der Ansturm auf den Gerstensaft zu groß wird. Nachdem der Durst gestillt ist, schnell wieder zurück vor die Bühne, der (wahre) Headliner wartet:
WINTERSUN. Als dann die ersten Klänge von "When Time Fades Away" erklingen, wird es "In Front of Stage" sehr kuschelig, da Viele das Geschehen aus nächster Nähe bestaunen wollen. Bei glockenklarem Sound und einer bestens aufgelegten Band (allen voran Jari Mäenpää) zeigen die Finnen den Anwesenden eindrucksvoll, dass
WINTERSUN inzwischen zu den ganz Großen Acts im Metal-Zirkus zählen. Der Auftritt von Jari & Co ist heute sozusagen in zwei Hälften aufgeteilt. Zuerst präsentieren
WINTERSUN das komplette "Time" Album (nur der Hidden Track fehlt), bevor mit "Death and the Healing" die Power vom Debütalbum im Backstage Einzug hält. "Beyond the Dark Sun" und "Starchild" machen den wilden Ritt perfekt und verlangen der Meute nochmals alles ab. Im Anschluß daran gibt es mit "Forest" noch einen neuen Song und "Winter Madness" als Zugabe von
WINTERSUN zu hören. Das war ein ganz starker Auftritt der Finnen. Chapeau. Nach der nun folgenden letzten Umbaupause dürfen
KORPIKLAANI mit ihrem finnischen Musikantenstadl den Abend beenden. Also nochmals letzte Reserven mobilisiert und hinein in die finnische Party-Glückseligkeit. Wilde 70 Minuten, gefüllt mit Songs wie z.B. "Lempo", "Vodka", "Wooden Pints", sowie ein Met beenden ein erstklassiges Paganfest.
Skål. (JK)