Das Alter ist beschwerlich - noch mehr für die Jüngeren, die mit ihm zu tun bekommen. (Heinrich Mann)
Elf lange Jahre haben sich LIZZY BORDEN Zeit gelassen, um einen Nachfolger für das 2007er Album "Appointment with Death" in die Umlaufbahn zu schießen - 11 Jahre, in denen Lizzy Harges Borden bemerkt haben muss, dass er noch zu jung ist, um als Metal Rentner zurückgezogen sein restliches Leben zu fristen - 11 Jahre, in denen sich einiges im Headquarter der Heavy Metal/Glam Rock Instution getan hat.
Neben den fast schon obligatorischen Besetzungwechseln innerhalb des Bandgefüges, fällt auf "My Midnight Things" vor allem eines auf: LIZZY BORDEN haben sich, musikalisch gesehen, eine radikalen Kurswechsel verpasst.
Fans der ersten Stunde dürfte diese Entwicklung nur bedingt, bis gar nicht schmecken, und ob sie damit jüngere Fans akquirieren können, ist zumindest mehr als fragwürdig.
Wird das siebte Studioalbum von LIZZY BORDEN mit dem Titeltrack noch ganz traditionell eröffnet, übrigens eine Hammernummer, die allen Puristen das Pipi in die Augen treiben dürfte, läuten LIZZY BORDEN ab Track Nr. 2 "Obsessed with You" die scheinbar so gewollte radiotaugliche Zukunft der ehemaligen Heavy Glam Rock Truppe ein. Wobei Zukunft in diesem Fall dann doch eher mit Sargnagel gleichzusetzen wäre.
Ich habe keine Ahnung, welche fragwürdigen Substanzen LIZZY BORDEN beim komponieren dieses Albums konsumiert haben könnte (Kukidentpulver geschnupft? Klosterfrau Melissengeist inhaliert? Faktu akut geschluckt?). Fakt ist, das neue Soundgemisch, bestehend aus ein paar LIZZY BORDEN Querverweisen und einigen MY CHEMICAL ROMANCE-, MARILYN MANSON- ("Obsessed with You"), DEF LEPPARD- ("The Scar Across My Heart") Bestandteilen, sowie einer großen Portion amerikanischem Stadionrock neuerer Prägung, hört sich nicht nur abenteuerlich an, es ist es auch.
Zwar waren LIZZY BORDEN auch schon in früheren Zeiten alles andere als stocksteif auf einen bestimmten Sound festgelegt, aber dass man sich nun traut, seine Stammkundschaft so dermaßen ungehemmt vors Schienbein zu treten, ist schon mehr als verwunderlich, wenn nicht gar unverständlich.
Viel zu oft driften LIZZY BORDEN auf "My Midnight Things" in seichte Rock Gefilde (an der Grenze zum Pop) ab und lassen dabei nichts unversucht, ihre durchschnittlich wirkende Radiokost mit ein paar metallischen Riffs, besonders originell wirken zu lassen.
Ein Versuch, der meistens zum Scheitern verurteilt ist. So findet sich neben dem bereits schon erwähnten Titeltrack "My Midnight Things" kaum noch weiteres Material, dass an alte Schandtaten erinnert.
Sicherlich, für sich betrachtet, also wenn man die Vergangenheit dieser Band ausblenden könnte, ist "My Midnight Things" ein solides (Hard) Rock Album geworden, welches locker flockig nebenbei reinläuft und dabei auch keinem weh tut. Aber kann dies wirklich der Anspruch einer (ehemaligen) Kultruppe sein?
Fazit: Und wieder mal geht eine Legende, beim krampfhaften Versuch, sich an die Moderne anbiedern zu müssen, vor die Hunde. (JK)
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